Monthly Archives: Februar 2019

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Weitere Konzerte mit Jontef

Nach dem großen Erfolg im Frühjahr 2017 gibt es im Mai drei weitere Konzerte mit der Klezmer-Gruppe „Jontef“ und dem gemeinsamen Programm „Wos jiddisch is gewen“. Der Vorverkauf für diese Konzerte hat begonnen.
Zur Kartenreservierung.

Neuffen
Fr., 24. Mai 2019, 20 Uhr
Martinskirche, Kirchplatz

Esslingen
Sa., 25. Mai 2019, 20 Uhr
Südkirche, Spitalsteige 3

Stuttgart
So., 26. Mai 2019, 20 Uhr
Matthäuskirche, Erwin-Schoettle-Platz

Karten zu 16 (ermäßigt 10 €)

Vorverkauf:
Neuffen: Klaus Heimgärtner, Paulusstraße 9, Telefon 07025 57 02
Esslingen: Provinzbuch, Küferstraße 9, Telefon 0711 35 2738
Stuttgart: Buch im Süden, Böblinger Str. 151, Telefon 0711 649 38 52
Bestellung per E-Mail:
karten@coro-nuertingen.de

Die Geschichte des jüdischen Volkes ist durch die Jahrhunderte hinweg von Verfolgung und Umsiedelung geprägt. Das dadurch geprägte Lebensgefühl lebt in leidenschaftlichen Liedern fort, spiegelt sich in so quicklebendiger wie klagender Klezmermusik und mischt sich in die Klänge der Welt. Mit Chorarrangements von „Bei mir bist Du sheijn“ oder „Dona, dona“, mit unbekannten hebräischen und sephardischen Liedern, z.B. von Paul Ben-Haim, sowie mit fabelhaft interpretiertem jiddischem Klezmer spüren der „coro per resistencia“ und „Jontef“ der untergegangen jiddischen Kultur und ihren Überlebenswegen nach. Der coro per resistencia aus Nürtingen tritt seit über 30 Jahren mit einem musikalisch unkonventionellen Repertoire auf, vom klassischen a-cappella-Chor­gesang, über groß besetzte Chorwerke auch aus dem Bereich der Kirchenmusik, bis hin zu Jazz und Oper. Seit 2015 arbeitet der coro per resistencia mit Fabian Wöhrle und verbindet immer wieder musikalische und gesellschafts­politische Aspekte.

Diese stehen auch bei Jontef, dem erfolgreichen Klezmer-Quartett aus Tübingen um den in Israel geborenen Sänger und Schauspieler Michael Chaim Langer, vorne an: die Liebeserklärung an die untergegangene Welt der Stetl, voller Songs und gewitzter Anekdoten, ist gleichzeitig bittere Anklage und Warnung. Die musikalische Intensität steht dem in nichts nach: Die von Joachim Günther  brillant gespielte Klarinette und das temperamentvolle Akkordeon, Wolfram Ströles virtuose Violine, der humorige Kontrabass von Peter Falk. Musik, in der Wehmut und Ausgelassenheit eine einzigartige Verbindung eingehen.

Besprechung der NZ

Dramatisch, ausdrucksstark, bedrängend

Der coro per resistencia und die LE bigband brachten bei den Nürtinger Jazztagen Erlkönig-Vertonungen zum Klingen

Der coro per resistencia und die LE bigband gestalteten am Sonntag im Großen Saal der Rudolf-Steiner-Schule ein Jazztage-Konzert der besonderen Art. Foto: Jüptner

NÜRTINGEN. Zauber, Nacht, Liebe, Tod. Große, bewegende Themen. Um sie kreiste das eindrückliche Konzert des coro per resistencia am Sonntag im Großen Saal der Rudolf-Steiner-Schule. Dramatisch, ausdrucksstark, bedrängend auch. Die musikalische Leitung hatte Mihály Zeke, er vertrat den verletzten Fabian Wöhrle. Im Zentrum des Abends stand das expressive dreiteilige Oratorium Erlkönig/Elverskud (2006) des schwedischen Komponisten, Arrangeurs und Jazzmusikers Nils Lindberg, der darin eine dänische Ballade nach Niels W. Gades „Erlkönigs Tochter“(1853) verarbeitete. Mit der deutschen Erstaufführung leisteten der coro per resistencia und die LE bigband einen herausragenden Beitrag zu den Nürtinger Jazztagen.

Zum Beginn erklang Mystisches von Duke Ellington

Das stimmige, spannungsreiche Gesamtprogramm entfaltete die Nachtseiten einer übergriffigen Inbesitznahme instrumental und vokal auf der großen Bühne. Am Beginn: Die LE bigband unter der Leitung von Albi Hefele spielt Duke Ellingtons von Shakespeares Sommernachtstraum angeregten „Such Sweet Thunder“ (1957) – den „süßen Donner“ des Feenzaubers – mit seiner eingängigen Grundfigur als emotionales und grimmiges vorwärtstreibendes Geschehen. Solopartien hatten Mathias Paar (Trompete) und Fabian Beck (Posaune).

Dann erklingt aus „A Passion for John Donne“ (2011/12) das düstere „Nachtstück zum Sankt-Lucia-Tag, dem kürzesten Tag des Jahres“ für Chor und Jazzensemble (Klaus Hügl, Klavier; Andreas Fetzer, Gitarre; Tobi Bodensieck, Bass; Alex Neher, Drums). Komponist ist Ketil Bjørnstad, norwegischer Schriftsteller, Lyriker, grenzüberschreitender Musiker. Er setzt sich hier mit einem anspielungsreichen Liebesgedicht des englischen Dichters John Donne, Zeitgenosse Shakespeares, musikalisch auseinander. Wie ein Ruf aus fernen Zeiten wirkt die Melodie, von Andreas Francke (Altsaxofon) ausdrucksvoll gespielt. Aus der unisono gesungenen volksliedhaften Weise wird strömende, meditative Mehrstimmigkeit, dazu immer wieder flirrende Klaviertöne über Bassfundament. Melancholischer Ausklang. Benjamin Himpel, Sopransaxofon, und Andreas Francke gestalten ihn sensibel, transparent, mit langem Atem, den Klangfarben der Instrumente nachspürend.

Kontrastreich dazu der swingende „Moondance“ (1970) von Van Morrison in der Version von Michael Bublé, arrangiert für Chor und Bigband von Marc Hügeli, in dem die „verliebte Seite der Nacht“ zur schwungvollen, den ganzen Chorkörper erfassenden Musik wird, der auch mit seinen sensiblen Einsätzen ziemlich zurechtkommt. Am Ende scheint in den düsteren Klängen der LE bigband eine andere Seite der Liebe auf.

Sehr überlegt knüpft daran die für den Blues typische melancholische Grundstimmung an: „Ground Blues“ von Heinz Herrmann, arrangiert für Bigband von Peter Herbolzheimer. Die Soli von Tom Martin (Tenorsaxofon) und Uli Röser (Posaune), rufen großen Beifall hervor.

In der swingenden Ouvertüre aus „Strike up the Band“ (1927) aus dem gleichnamigen Musical von George Gershwin, arrangiert für Bigband von Sammy Nestico, wird in den Soli von Andreas Francke und den fast explodierenden Drums etwas vom Inhalt des Musicals, das sich um einen militärischen Handelskrieg (!) dreht, deutlich.

Spannungsvolles Klanggewebe

Dann das zentrale Werk des Abends: Erlkönig, ein dramatisches Gedicht über todbringende Liebesgewalt. Die Bigband um Pauken (Albrecht Meincke) und Percussion (Said Azh) verstärkt. Im Prolog schildert der Chor die erste Begegnung von Meister Oluf mit dem Zauberreich; ein spannungsvolles, rhythmisch pointiertes Klanggewebe, Bigbandsound, sinfonische Elemente, diffizile Chorpassagen, luftiges Chimesgewisper (Klangstäbe).

Erster Teil: Die beiden Solisten, Sandra Hartmann (Sopran) und Florian Götz (Bariton) entwickeln das tragische Geschehen, voller Leidenschaft mit ihren modulationsreichen, tragenden Stimmen, ihren theatralen Fähigkeiten. Mit feinem Gespür für Dramatik gestalten sie stimmgewaltig die Auseinandersetzung um die Warnung der Mutter vor Erlkönigs Hain, da ihr Sohn am späten Abend vor seiner Hochzeit noch fortreiten will, um einen Gast einzuladen. Düster ist der zweite Teil. Oluf entkommt Erlkönigs Tochter nicht, die tut ihm todbringende Gewalt an. Gezeichnet flieht er. Im dritten Teil bricht Oluf vor seiner ängstlich wartenden Mutter tot zusammen. Die mahnende Lehre aus der Geschichte folgt im Epilog. Sie gewinnt heute, im Kontext repressiver Mechanismen in Politik und Gesellschaft, neue Aktualität.

Ein kontrastreiches Werk, eindringlich, expressiv musiziert: voller Brüche, mit schrillen reibenden Harmonien, sanften Auflösungen, vorwärtstreibend und innehaltend, stimmungsmalerisch, mahnende, erzählende Chorpartien, voll ausgespielter Bigband-Sound mit bravourösen Soli und einem musikalisch im Schwebezustand bleibenden Schluss. Die Begeisterung des Publikums entlädt sich in minutenlangem Beifall.

Zum Schluss: „The Erl-King“ – Jazz-Version. Ben Vatter hat die Schubert’sche Liedfassung des bekannten Goethe-Gedichts „Der Erlkönig“ (1782) 2016 für fünfstimmigen Chor und Jazzensemble arrangiert, ein in der Tat „pfiffiges Chorstück, das den Zuhörer mit einem Schreck in die Nacht entlässt“.

Am Ende langer stürmischer Beifall. Wöhrle wird auf die Bühne gebeten und singt in der Zugabe im „Moondance“ begeistert mit. In diesem Konzert wurde deutlich, welch großen Herausforderungen der coro per resistencia gewachsen ist und welch ein Reiz in der Synthese von Bigband und Chor liegt.

VON HELMUTH KERN Nürtinger Zeitung vom 20.02.2019