Konzert zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Schabbat-Liturgie, Paul Ben-Haim
Kantor, Sopran-Solo, Chor, kleines Orchester und Sprecher

Sa. 27. Januar 2024, 19 Uhr
Nürtingen, Stadtkirche

So. 28. Januar 2024, 17 Uhr
Esslingen, Südkirche, Spitalsteige 3

Mit Konzerten zum 27. Januar 2024, dem Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, möchte der coro per resistencia ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben und gegen antisemitische und andere rassistisch oder religiös begründete Gewalt setzen.

Der Nürtinger Chor und sein Dirigent, Fabian Wöhrle, haben sich dafür ein besonderes Programm vorgenommen und möchten auch alle jüdischen Mitbürger, israelitischen Kultusgemeinden und Freunde der jüdischen Kultur herzlich einladen. Im Wechsel mit eindrücklichen Texten u.a. von Marcel Reich-Ranicki, Jizchak Katzenelson, Arnold Schönberg und Nelly Sachs erklingt die Schabbat-Liturgie, engl. „Friday Evening Service“, von Paul Ben-Haim (1897-1984). Mit der Zeremonie des „Kabbalat Shabbat“ – übersetzt „Empfang des Schabbats“ – begrüßen viele Juden am Freitagabend ihren Ruhetag.

Paul Ben-Haim wurde in München unter dem Namen Paul Frankenburger geboren und war als Dirigent u.a. in Augsburg tätig. Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 emigrierte er nach Palästina und wurde dort die zentrale Komponistenpersönlichkeit für jüdische Musik. Seine Schabbat-Liturgie entstand 1966 im Auftrag der „National Federation of Temple Youth“. Sein Ansinnen war dabei, die Gebete des jüdischen Gottesdienstes so einfach und maßvoll wie möglich in Musik zu setzen und damit den Geist der jüdischen Liturgie zu erfassen. Das Werk ist für Tenorsolisten (den Kantor), ein Sopransolo, Chor und neun Instrumente komponiert. Ergänzend erklingen weitere Werke von Maurice Ravel (Kaddisch), Ben Haim (2. Satz der Sonate in G, Violine solo) und Kurt Weill (Kiddusch).

Der coro per resistencia tritt seit über vier Jahrzehnten mit einem breiten, musikalisch unkonventionellen Repertoire auf und verbindet immer wieder musikalische und gesellschaftspolitische Aspekte.

Dietrich Wrase, Kantor
Caroline Oestreich, Sopran
Barbara Stoll, Sprecherin
Wolfgang Jellinek, Violine

coro per resistencia
ensemble flessibile

Leitung: Fabian Wöhrle

Karten 20 €, ermäßigt 13 €
Reservierung: auf www.coro-nuertingen.de oder Mail an karten@coro-nuertingen.de
VVK Nürtingen: Stadtbüro Nürtinger Zeitung, Am Obertor 15, Tel. 07022 / 9464-150
VVK Esslingen: Provinzbuch, Küferstr. 9, Tel. 0711/352738

Chorkonzert in Nürtingen als Zeichen für ein friedliches Zusammen­leben

Der „coro per resistencia“ bringt am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, in der Stadtkirche Sankt Laurentius Paul Ben-Haims „Schabbat-Liturgie“ zu Gehör.

Von Volker Haussmann

NÜRTINGEN. Der Nürtinger Chor „coro per resistencia“ hat sich in den 44 Jahren seines Bestehens mit einem musikalisch und thematisch unkonventionellen Repertoire einen Namen gemacht. Am Internationalen Tag des Ge­den­kens an die Opfer des Holocaust, der am 27. Januar begangen wird, gibt der Chor abermals ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliches Chorkonzert in der Nürtinger Stadtkirche (Beginn um 19 Uhr). Im Zentrum des musikalischen Geschehens steht die „Schabbat-Liturgie“ des deutsch-israelischen Komponisten Paul Ben-Haim, ein Chorwerk, das komplett in hebräischer Sprache gesungen wird.

Das Konzert war ursprünglich für den Mai 2020 geplant, fiel dann aber Corona zum Opfer

Der „coro per resistencia“ holt damit sein ursprünglich für Anfang Mai 2020 vorgesehenes Konzert nach. Seinerzeit stand hinter dem ambitionierten Chorprojekt der Gedanke, zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs, das sich am 8. Mai 2020 zum 75. Male jährte, an die Opfer des Holocaust zu erinnern. Die sich rasant ausbreitende Corona-Pandemie stoppte damals die bereits weit gediehenen Konzertvorbereitungen. Auf der Suche nach einem passenden Termin für eine Wiederaufnahme des Chorprojekts einigte man sich im Chor auf den 27. Januar 2024, den Holocaust-Gedenktag. Im Sommer letzten Jahres begann der Chor mit den Proben.

Der Umstand, dass seit drei Monaten die israelische Armee im Gazastreifen Krieg führt, hat nun allerdings bei den Chormitgliedern die Befürchtung geweckt, man könnte die gut gemeinte Absicht des Konzerts eventuell missdeuten. Die Sängerinnen und Sänger nutzten einen Probeabend im Dezember, um die Möglichkeiten, wie man mit dieser Thematik umgehen könnte, zu erörtern. Ein Ergebnis dieses Abends: Keinesfalls wollen die Mitglieder des Chores mit dem Gedenkkonzert den Eindruck erwecken, dass sie das rigorose Vorgehen der israelischen Armee gegen die palästinensische Bevölkerung gutheißen. Frank Hoffmann, Vorsitzender des Chores, versteht das Konzert vielmehr als „Botschaft für den Frieden“. Und Chorleiter Fabian Wöhrle verbindet mit dem Konzert die Absicht, „für den Frieden und die Verständigung in der Welt“ werben zu wollen. Wie der Chor in seinem Info-Flyer deutlich macht, soll mit dem Konzert „ein Zeichen für ein friedliches Zusammen­leben und gegen anti­semi­tische und andere rassistisch oder religiös begrün­dete Gewalt“ gesetzt werden.

Diverse Male hat der „coro per resistencia“ in der Vergangenheit bereits Kompositionen von Paul Ben-Haim („Sephardic Folksongs“) zu Gehör gebracht. „Wir kamen über Ben-Haim auf die Schabbat-Liturgie“, berichtet Frank Hoffmann. „Dass das Werk in hebräischer Sprache gesungen wird, stand dabei für uns nicht im Vordergrund.“

Paul Ben-Haim (1897 bis 1984) wurde in Mün­chen unter dem Namen Paul Fran­ken­bur­ger geboren und war als Dirigent unter anderem in Augsburg tätig. Gleich nach der Machtergrei­fung der National­sozialisten 1933 emi­grier­te er nach Palästina und wurde später die zentrale Kompo­nisten­per­sönlichkeit für jüdische Musik. Seine Schabbat-Liturgie (engl. „Friday evening Service“) ent­stand 1966 im Auftrag der „National Federation of Temple Youth“. Sein Ansinnen war dabei, die Gebete des jüdischen Gottes­dienstes so einfach und maßvoll wie mög­lich in Musik zu setzen und damit den Geist der jüdischen Liturgie zu erfassen.

Das Werk ist für einen Tenorsolisten (den Kantor), ein Sopran­solo, Chor und neun Instrumente komponiert. Ergän­zend und rah­mend erklin­gen im Konzert Werke von Maurice Ravel („Kaddisch“), Ben-Haim (2. Satz der Sonate in G, Violine solo) und Kurt Weill („Kiddusch“). Im Wechsel mit dem musikalischen Geschehen werden Texte unter anderem von Marcel Reich-Ranicki, Jizchak Katzenelson, Arnold Schönberg und Nelly Sachs gelesen.

Das Konzert am Samstag, 27. Januar, 19 Uhr, in der Nürtinger Stadtkirche wird am Sonntag, 28. Januar, 17 Uhr, in der Südkirche in Esslingen (Spitalsteige 3) wiederholt. Mitwirkende bei beiden Konzerten sind – außer dem „coro per resistencia“ – Dietrich Wrase (Tenor), Caroline Oestreich (Sopran), Barbara Stoll (Sprecherin), Wolfgang Jellinek (Violine) und das essemble flessibile. Die Gesamtleitung hat Fabian Wöhrle.

Karten im Vorverkauf gibt es im Stadtbüro der Nürtinger Zeitung, Am Obertor 15, Telefon (07022) 9464-150, sowie jeweils an der Abend-/Tageskasse.

 

Nürtinger Zeitung v. 13.1.2024

coro per resistencia mit begeisterndem Konzert: Der Weg zur inneren und äußeren Freiheit

Erfolgreiche Uraufführung des Werks „Die Konferenz der Vögel“ von Marie-Valérie Track im Rudolf-Steiner-Saal durch den coro per resistencia unter Leitung von Fabian Wöhrle.

Den langen Schlussapplaus haben sie verdient: Sprecherin Isabelle Demey, Komponistin Marie-Valérie Track, Dirigent Fabian Wöhrle, Mezzo-Sopranistin Sarah-Lena Eitrich (Erste Reihe von links), der coro per resistencia und das Instrumental-Ensemble. Foto: Hans-Günther Driess

Nürtingen. Die Parabel „Konferenz der Vögel“ des persischen Dichters Farid ud-Din Attar bildet die Textgrundlage für ein Werk der Plochinger Musikerin Marie-Valérie Track, das der coro per resistencia am Samstag im ausverkauften Rudolf-Steiner-Saal mit großem Erfolg zur Uraufführung brachte. Es handelt sich um eine Auftragskomposition des Nürtinger Chors. Die dreiteilige Parabel beschreibt die Suche der Vögel nach dem einen wahren Gott, dem „Dreißigvogel Simorgh“. Diese Suche wird zur Reise durch die sieben Täler, in deren Verlauf die Vögel Schmerz und Verlust, Liebe und Angst, Not und Armut erleben.

Am Ende erreichen von dem ursprünglich riesigen Vogelschwarm lediglich 30 Vögel das Ziel, nämlich den Palast des Vogels Simorgh. Die Erkenntnis, dass der wahre Gott „Simorgh“ als Kompass in ihnen selbst ruht, erfolgt erst, nachdem sie alle Verluste und Nöte der Selbsterkenntnis durchlitten haben. Diese Erkenntnis, welche die Vögel erlangen, dass der eine wahre Gott in uns selbst schlummert und nur in der Gemeinschaft werden und leben kann, führt endlich zu ihrer inneren und äußeren Freiheit und begründet ihr Sein, Fühlen, Denken und Handeln.

Beeindruckendes Kunstwerk

Marie-Valérie Track hat mit ihrer Komposition ein interessantes und beeindruckendes Kunstwerk geschaffen für Mezzo-Sopran, Sprecherin, gemischten Chor und Instrumentalensemble. Neben klassisch-europäischen Instrumenten kommen auch Instrumente des persischen Kulturraums wie Santur (Hackbrett) und Rhubab (persische Laute) zum Einsatz. Ferner ergeben sich durch Hinzunahme weiterer Texte von Matthias Claudius, Johann Gottfried Herder und Chahla Chafiq vielfältige Beziehungen sowohl zwischen Orient und Okzident als auch zwischen gestern und heute.

Der Komponistin gelingt fernab jeder Effekthascherei ein Tiefgang der musikalischen Aussage, der dem anspruchsvollen Inhalt gerecht wird. In jeder der 28 Nummern wird der Bezug zwischen dem jeweiligen Textinhalt und der Musik verdeutlicht mit allen musikalischen Parametern. Melodik, Rhythmik, Klangfarben, Lautstärke- und Tempoänderungen stellt Track treffsicher in den Dienst des Textes.

Hervorragende Chorstimmen – souveräner Dirigent

Dem Chor kommt eine tragende Rolle, ja eigentlich die Hauptrolle zu. Er kommentiert ganz im Stile des antiken Dramas oder der frühen Barockoper die Handlung und kann sich dadurch im Verlauf des Abends mit ganz unterschiedlichem Ausdruck exponieren. Die Choristen sind stimmlich gut ausgebildet, artikulieren deutlich, Vokalausgleich und Ausgewogenheit der Stimmregister sind vorbildlich und die Atemtechnik bringt eine für einen Laienchor überdurchschnittlich gute Intonation zutage. Dies und mehr ist das Verdienst von Fabian Wöhrle. Er hat seinen Chor gut vorbereitet und führt ihn mit sicherem Dirigat und energischem Zupacken, insbesondere bei den zahlreichen Turba-Chören – dramatischen Zwischenrufen – die neben choralartig wirkenden ruhigen Passagen an Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion erinnern.

Mit ihrer klar artikulierenden Stimme und bester Erzählkunst lässt Isabelle Demey eine fantasievolle Bilderwelt in den Köpfen der Zuhörer entstehen. Die Solo-Mezzosopranistin Sarah-Lena Eitrich fungiert als mahnende, belehrende Stimme, die von Anfang an den Kurs kennt und mit allerhand Gleichnissen und Erklärungen versucht, die Gemeinschaft zu Vernunft und Einsicht zu bringen. Ihr strahlender Gesang schenkt der Aufführung immer wieder Höhepunkte. Teils markant-resolut, teils weich im Stimmeinsatz intoniert sie mit angenehmem Timbre lupenrein bis in hohe Lagen. Im Instrumentalensemble bleiben keine Wünsche offen hinsichtlich Spieltechnik, Klangfarbenvielfalt und perfektem Zusammenspiel. Jeder Instrumentalist ergreift immer wieder die Gelegenheit, in Solopassagen mit großem Können zu glänzen.

Dem eigentlichen Hauptgeschehen hat Marie-Valérie Track als Auftakt des Werkes ein „Kriegslied“ (Text: Matthias Claudius) vorangestellt, das mit Dissonanzen und neutönerischen Akkorden Kälte und Schroffheit widerspiegelt. Sie sagt: „Wie grausam real ist das Thema heute angesichts des Überfalls Putins auf die Ukraine und des anhaltenden Leids.“

Den beschwerlichen Weg zur Selbsterkenntnis und zum Frieden zeichnet die Musik mit modernen Mitteln nach und wechselt im zweiten Teil folgerichtig in eine versöhnliche, der Epoche Romantik verpflichtete Tonsprache. „Wenn ich ein Vöglein wär“ klingt wie ein Chorlied von Friedrich Silcher und aus dem Satz „Trost – die Seelen der Vögel“ schimmert deutlich Johannes Brahms′ „Guten Abend, gute Nacht“ hervor.

Das begeisterte Publikum lässt die Agierenden erst nach lang anhaltendem Applaus und einer Zugabe von der Bühne. Die zweite ebenfalls ausverkaufte Aufführung fand am Sonntag in Tübingen eine ähnlich positive Resonanz.

Nürtinger Zeitung vom 9. Mai 2023

Die Konferenz der Vögel

Uraufführung der Parabel „Die Konferenz der Vögel“ (nach Farid ud-Din Attar) in Musik
für Mezzo-Sopran, Sprecher, gemischten Chor und Instrumentalensemble am 6. Mai in der Nürtinger Rudolf-Steiner-Schule

Die Parabel der „Konferenz der Vögel“ des persischen Dichters Farid ud-Din Attar bildet die Textgrundlage für eine neue Komposition der Plochinger Musikerin Marie-Valérie Track, die der coro per resistencia im Mai 2023 erstmals erklingen lässt. Es handelt sich um eine Auftragskomposition des Nürtinger  Chors.

Attar erzählt, wie sich eine große Schar Vögel versammelt und anschließend auf eine lange beschwerliche Reise begibt, um dem Vogelkönig Simorgh zu begegnen. Am Ende bleiben noch 30 Vögel übrig, die den gesuchten Simorgh (im Wortsinn „Dreißigvogel“) in sich selbst erkennen. Damit wird ein urdemokratisches Thema umrissen. Die Komposition vereint neben klassisch europäischen Instrumenten auch Instrumente des persischen Kulturraums wie Santur (Hackbrett) und Rubab (persische Laute). Ferner ergeben sich durch Hinzunahme weiterer Texte von Matthias Claudius, Johann Gottfried Herder und Chahla Chafiq vielfältige Bezüge sowohl zwischen Orient und Okzident als auch zwischen gestern und heute.

Der coro per resistencia tritt seit über 30 Jahren mit einem breiten, musikalisch unkonventionellen Repertoire auf und verbindet immer wieder musikalische und gesellschaftspolitische Aspekte. Dazu gehören explizit Chorwerke von Komponistinnen.

 

 

Mitwirkende:
Isabelle Demey, Sprecherin
Truike van der Poel, Mezzosopran
coro per resistencia
ensemble flessibile mit Bernd Geisler (Rhubab und Gitarre), Kiiomars Musayyebi (Santur), Viola Tränkle-Gradner (Flöte), Monika Böhm (Violine), Rebekka Irion (Bratsche),  Albrecht Meinke (Percussion) und weiteren Musikern.

Leitung: Fabian Wöhrle

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Karten 20 €, ermäßigt 13 €

Reservierung: auf www.coro-nuertingen.de oder Mail an karten@coro-nuertingen.de
VVK Nürtingen: Stadtbüro Nürtinger Zeitung, Am Obertor 15, Tel. 07022 / 9464-150
VVK Tübingen: Tourist & Ticket-Center. An der Neckarbrücke 1, Tel. 07071 / 91 36-0

Sensationelle Aufführung eines Meisterwerks

Konzert: Der Nürtinger Chor „coro per resistencia“ befreit sich mit einer fulminanten Darbietung des „Canto General“ von den Fesseln der Corona-Zwangspause und wird vor ausverkauftem Haus gefeiert.

Hans-Günther Driess

NÜRTINGEN. Eine sensationelle Wiederauferstehung nach der langen Corona-Zwangs-Pause haben sie hingelegt, die Sängerinnen und Sänger des „coro per resistencia“, die Altistin Jeschi Paul, der Bariton Fernando Dias Costa und das 16-köpfige Orchester unter Leitung von Fabian Wöhrle. Beifallsstürme brandeten immer wieder mitten in den Gesängen auf und am Ende wollten die begeisterten Zuhörerinnen und Zuhörer die Agierenden nicht mehr von der Bühne lassen.

Sehnsucht nach Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit

Brodelnde Urwaldatmosphäre und der Befreiungsschrei der Revolution vereinigen sich in der Poesie des „Canto General“ des großen chilenischen Dichters und Nobelpreisträgers Pablo Neruda (1904 bis 1973), den der bekannteste griechische Komponist Mikis Theodorakis (1925 bis 2021) in den 1970er-Jahren ausschnittsweise vertont hat. Sowohl der Dichter als auch der Komponist haben in ihren Heimatländern Chile und Griechenland politische Unterdrückung und persönliches Leid erlebt. Deswegen spiegelt ihr gemeinsames Meisterwerk, das Oratorium „Canto General“, auf authentische Weise durch den Inhalt der bildreichen Sprache und die leidenschaftlichen musikalischen Klänge in künstlerischer Form die Sehnsucht des Menschen nach Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit wider.

Im Konzert erklangen acht der insgesamt zwölf vertonten Neruda-Gedichte, die die leidvolle Geschichte Amerikas und die großartige Natur des Kontinents widerspiegeln. Letztere wird im Eingangsstück „Algunas bestias“ (Einige Tiere) mit mächtigen Akkordschichtungen im Fortissimo kraftvoll und intensiv in Szene gesetzt. Der Chor besticht durch Ausgewogenheit der Stimmregister, reine Intonation und deutliche Artikulation, wobei das Spanisch wie selbstverständlich über die Lippen kommt. Die eruptive Musik wirkt im schnellen Teil wie ein Aufbäumen der Naturgewalten gegen Ungerechtigkeit und im zweiten Teil scheint die Welt in permanent wiederholten Tonfolgen und rhythmischen Patterns geradezu aus den Fugen zu geraten. Jeschi Paul brilliert mit ihrer ausdrucksstarken warmen Altstimme und gibt den Inhalt der Dichtung im dramatischen Wechselgesang mit dem Chor eindrucksvoll wieder.

Dirigent Fabian Wöhrle beherrscht souverän die anspruchsvolle Partitur mit ihren häufigen Taktwechseln im Duktus griechischer Tanzrhythmen. Aus seinen Händen strömt Sicherheit ins Ensemble, er strahlt Ruhe aus, gibt prägnante Einsätze und zeigt ein feines Gespür für Ausdruck und angemessene Tempi. Welch ein Glücksfall für diese Aufführung ist das mit Studierenden und Berufsmusikern aus dem süddeutschen Raum besetzte Orchester. Die beiden Pianistinnen, sechs Schlagzeuger und Schlagzeugerinnen, drei Flöten, drei Gitarren und der E-Bass sorgen für einen farbigen Klanggrund und verleihen der Aufführung in zahlreichen Instrumental-Soli Glanzpunkte. Hervorragend fungiert die Tontechnik, die in Bezug auf Balance zwischen Chor, Solistin, Solist und Instrumenten keine Wünsche offenlässt.

Mit den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten seiner großartigen sauber intonierten Stimme zieht der Bariton Fernando Dias Costa das Publikum in seinen Bann. In „América insurrecta“ (Aufständisches Amerika) zeigt er eindrucksvoll sein Mitgefühl mit den unterdrückten Inkas, gleichermaßen seine Wut auf die spanischen Eroberer, und seine sonore Stimme begeistert nicht zuletzt mit angenehmem Timbre in der tiefen Lage. Herrlich ertönt sein ergreifender von religiöser Innigkeit gespeister Gesang in „Voy a vivir“ („Ich will leben“). Der Chor gefällt hier mit choralartigem Gesang, der seine Wurzeln in den byzantinischen und griechisch-orthodoxen Kirchenliedern nicht verbergen kann, die Theodorakis schon als Kind bei Gottesdienstbesuchen in seiner Heimat auf der Insel Chios in sich aufgesogen und später verarbeitet hat.

Ihre Vielseitigkeit stellt die Sängerin Jeschi Paul unter Beweis in „Vegetaciones“ (Die Pflanzen), „Vienen los pajaros“ (Die Vögel erscheinen) und „Los Libertadores“ (Die Befreier). Mit sauberen Tönen und angenehmem Timbre meistert sie den tiefen und mittleren Tonbereich dieser Lieder und wechselt von energisch-ernsten Passagen in Bereiche voll zarter Empfindung.

Im Schlusslied „Los Libertadores“ lassen die Choristen nochmals ihre Befreiung spüren. Locker, aber konzentriert, spielt sich das Schlagwerk in einen Spielrausch und der Dirigent hält die Fäden zusammen, um wie ein Dramaturg die Schlusssteigerung herbeizuführen.

NÜRTINGER ZEITUNG v. 26. Juli 2022

 

 

Mikis Theodorakis: Canto General

Zum Gedenken an den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis, der im September 2021 im Alter von 96 Jahren gestorben ist, führt der coro per resistencia am heutigen Sonntag um 20 Uhr in der Nürtinger Rudolf-Steiner-Schule dessen Oratorium „Canto General“ nach Texten von Pablo Neruda auf. Karten sind an der Abendkasse ab 19 Uhr erhältlich.

Die Geschichte des Chores ist sehr eng mit der Musik von Mikis Theodorakis verbunden. Immer wieder hat der coro Werke des griechischen Musikers einstudiert, unter anderem das Volksoratorium „Axion esti“, die Liedzyklus „Mauthausen“ oder eben den mitreißenden „Canto General“. Anlässlich des Todes von Mikis Theodorakis hat der coro per resistencia sein Programm umgestellt und wird am heutigen Sonntag, 24. Juli, um 20 Uhr, in der Nürtinger Rudolf-Steiner-Schule den Canto aufführen.

Pablo Neruda und Mikis Theodorakis gehören zweifelsohne zu den herausragenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Beide haben sich immer als politische Künstler begriffen und sich ganz entschieden gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen zur Wehr gesetzt. Pablo Neruda (1904-1973) wurde 1971 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet, Mikis Theodorakis ist in 1999 für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen worden.

Der „Canto General“ ist das Hauptwerk des Dichters Pablo Neruda. In den zwischen 1938 und 1950 entstandenen Gedichten werden die Ursprünge und die Geschichte Amerikas, seiner Natur und seiner Völker besungen. In der Vertonung durch Mikis Theodorakis ist ein gewaltiges Oratorium entstanden, in dem der Komponist die Gesänge der Inka, die Lieder der Anden und die Rhythmen der Tropen mit der Klangwelt der Griechen verbindet zu einem Werk, das zu den kraftvollsten und intensivsten gehört, die er je geschrieben hat.

Solisten sind die Altistin Jeschi Paul und der Bariton Fernando Dias Costa.

Nach ihrer Gesangsausbildung ist die Mezzosopranistin Jeschi Paul unter anderem als Sängerin der Deutschrock-Gruppe Ryff, als Frontfrau der Bossa-nova-Band Ipanema Beach Hotel und Mitglied des A-cappella-Ensembles Pepper & Salt in Erscheinung getreten. Überdies hat sie in zahlreichen klassischen Konzerten und Messen mitgewirkt – unter anderem bei Aufführungen des „Canto General“. Sie ist zudem Chorleiterin des Stuttgarter Frauenchors „Fortissimas“ und arbeitet als Musikpädagogin.

Der Bariton Fernando Dias Costa, geboren 1958 in Nampula/Mosambik, wuchs in Portugal auf. Zwischen 1974 und 1977 war er Mitglied und Sänger unterschiedlicher Musikformationen im Bereich der traditionellen portugiesischen und lateinamerikanischen Musik. Zusammen mit Roberto Deimel gründete er 1982 das Ensemble Grupo Sal. Gleichzeitig genoss er eine Gesangsausbildung in Tübingen und Stuttgart. Seit mehr als 30 Jahren steht er in verschiedenen Formationen auf der Bühne. Unter seiner künstlerischen Leitung entstanden alle CDs von Grupo Sal.

Das Orchester ist mit Berufsmusikern aus dem süddeutschen Raum besetzt.

Die Gesamtleitung hat Fabian Wöhrle.

Der Vorverkauf ist beendet. Karten sind nur noch ab 19 Uhr an der Abendkasse erhältlich.

Mitgliederversammlung online

Die Mitgliederversammlung des coro per resistencia e.V. findet in diesem Jahr am Montag, 20. Dezember, um 20 Uhr online statt.

Zur Onlineabstimmung

Corona: Vorerst keine Proben

Aufgrund der aktuellen Entwicklung in der Corona-Pandemie finden bis auf Weiteres keine Proben des coro per resistencia statt.

„Wos jiddisch is gewen“

Nach der Corona-Zwangspause konnte der coro im Sommer die Probenarbeit wieder aufnehmen und sich an die Vorbereitung auf die  im vergangenen Jahr aufgrund des Lockdowns abgesagten Konzerte mit der Klezmer-Gruppe „Jontef“ machen. Gemeinsam mit Jontef tritt der Chor am am Samstag, 13. November, in Stuttgart-Rohr und am Sonntag, 14. November, bei den Metzinger Friedenswochen auf.

Die Geschichte des jüdischen Volkes ist durch die Jahrhunderte hinweg von Verfolgung und Umsiedelung geprägt. Das dadurch geprägte Lebensgefühl lebt in leidenschaftlichen Liedern fort, spiegelt sich in so quicklebendiger wie klagender Klezmermusik und mischt sich in die Klänge der Welt.

Chorarrangements von „Bei mir bist Du schejn“ oder „Dona, dona“, unbekannte Kompositionen u.a. vom „verfemten“ Opfer des Nationalsozialismus, Victor Ullmann, sowie virtuose  Klezmermusik bringt Ihnen der coro per resistencia live zu Gehör, am Klavier begleitet von Claudia Großekathöfer, unter Leitung von Fabian Wöhrle und von der Klezmerband Jontef genial ergänzt. Der Chor aus Nürtingen tritt seit über 30 Jahren mit einem breiten, musikalisch unkonventionellen Repertoire auf und verbindet immer wieder musikalische und gesellschaftspolitische Aspekte. Diese stehen auch bei Jontef, dem Klezmer-Quartett aus Tübingen um den Sänger und Schauspieler Michael Chaim Langer, vorne an: Die Liebeserklärung an die untergegangene Welt der Schtetl, voller Songs und gewitzter Anekdoten, ist gleichzeitig Anklage und Warnung. Musik, in der Wehmut und Ausgelassenheit eine einzigartige Verbindung eingehen.

Das Konzert in Stuttgart-Rohr beginnt am Samstag, 13. November, um 19 Uhr in der Laurentiuskirche (Reinbeckstraße 8). Einlass ist ab 18 Uhr. Der Erlös dieses Konzertes geht an den Stuttgarter VEREIN URS e. V. und kommt damit der Kinder- und Jugendhilfe in Rumänien zugute.

 

 

Das Konzert in Metzingen findet zum Abschluss der Metzinger Friedenswochen am Sonntag, 14. November, um 19 Uhr in der Metzinger Martinskirche statt. Einlass ist ab 18.30 Uhr. Eintritt 18/12 Euro, Vorverkauf: Naturkostladen Löwenzahn Metzingen, Schloßstraße 20.

Die Konzerte findet selbstverständlich unter Einhaltung der aktuellen Vorschriften der Corona-Verordnung statt.

 

Der coro per resistencia begeisterte beim Benefizkonzert in der Nürtinger Lutherkirche

Gut eingespieltes Team: Chorleiter Fabian Wöhrle und der coro per resistencia Foto: Kern
Gut eingespieltes Team: Chorleiter Fabian Wöhrle und der coro per resistencia Foto: Kern

NÜRTINGEN. Über 200 Besucherinnen und Besucher kamen zum Benefizkonzert des coro per resistencia mit Weihnachtsliedern aus aller Welt, das letzten Samstag in der Lutherkirche stattfand. Thema und Anlass waren ein Magnet: Carols zugunsten des Kindertagesheims Casa del Sol, das dem Sozialzentrum in Margarita Belén angegliedert ist, einem Dorf in der Nähe der Stadt Resistencia in der Provinz Chaco im Norden Argentiniens, einer der ärmsten Regionen des Landes. In einem kontrast- und abwechslungsreichen Programm unter der Leitung von Fabian Wöhrle wurde die froh machende Botschaft von der Geburt des göttlichen Kindes besungen – ein großer Spannungsbogen im Liedgut unterschiedlicher Völker in zeitgenössischen Chorsätzen.

Abwechslungsreiche Reise durch die Weihnachtsliederlandschaft

Die Reise durch die Weihnachtsliederlandschaft begann in Schweden, ging über Frankreich, Russland, Kanada, Venezuela, Großbritannien, Guinea, USA, Slowakei, Korea und endete in Peru. Geografisch ein Zickzackkurs, inhaltlich jedoch stringent zusammengestellt: vom strahlenden Weihnachten („Jul, jul strålande jul“), an dem das göttliche Kind geboren wird („Il est né, le divin Enfant“), in der Heiligen Nacht, in der Gott Mensch geworden ist („Eta notsch swjataja“), während des kalten Wintermonds („Huron Carol“), in dem am Himmel der Stern zu sehen ist, Musik erklingt und die Hirten sich beeilen sollen, um das Kind anzubeten („Corramos, corramos“), mitten im kalten Winter, und der Mensch sich fragt, was er Gott, der in Menschengestalt geboren sei, geben könnte („In the bleak midwinter“), in dem ein Stern den Weg dorthin weist, wo Christ geboren ist („Kiris Bara Bari“), in der die Hirten aufstehen sollen „Rise up shepherd“, in der ein Wiegenlied erklingt („Búvaj, Diet’a krásne“), zu klangvollen Weihnachtsglocken („Tan il dschong“) bis hin zu den Drei Königen, Gaspar, Melchior und Baltasar, die am Ende des Abends unter „Burum, burum, bum, bum, Ha!“ Geschenke bringen („Festejo de Navidad“).

Fabian Wöhrle, seit 2015 Leiter des coro per resistencia, hatte die Chorsätze nicht nur inhaltlich stimmig aneinandergefügt, sondern – im Programm durch Sternchen markiert – daraus eine groß angelegte sechssätzige Gesamtkomposition gemacht. Sie war geprägt von den unterschiedlichen Mentalitäten und Stimmungsgehalten der Lieder. Der zweite, vierte und fünfte Satz waren jeweils rein instrumental in der Besetzung für Saxofon (Anne Siebrasse, Sopran- und Altsaxofon) und Orgel (Fabian Wöhrle). Meditative Phasen.

Klangprächtig musizierten Siebrasse und Wöhrle zwei Sätze aus dem Concerto in c-Moll für Oboe, Streicher und Basso continuo von Benedetto Marcello (1686–1739) in einer Fassung für Saxofon und Orgel, die Siebrasse in leuchtender, klarer Farbigkeit ausspielte. Sie brachten die Himmelshelligkeit in „Brightness“ des amerikanischen Komponisten und Organisten Carson Cooman (geboren 1982) zum Strahlen, Freude und Fröhlichkeit in der „Humoreske“ aus dem Duo für Altsaxofon und Orgel (1994) des kanadischen Organisten und Komponisten Denis Bédard (geboren 1950) zum Ausdruck. Sensible Registrierung, lebendiges, ausdrucksvolles Spiel, Herausarbeiten der jeweiligen Struktur durch Siebrasse und Wöhrle. Kleine Kostbarkeiten.

Ein weiterer bereichernder Kunstgriff waren die kleinen Saxofonzwischenspiele, miniaturartige Kompositionen; Wöhrle hat sie für dieses Konzert geschrieben. Sie nahmen die Stimmung des je vorangehenden Liedes auf und leiteten zum nächsten über – musikalische Pausen für die Zuhörenden.

Der coro per resistencia, der seine Gründung einer Konzertreihe des Nürtinger Max-Planck-Gymnasiums zugunsten des Sozialzentrums Margarita Belén verdankt, trat 1981 zum ersten Mal auf. Er hat sich inzwischen im Nürtinger Konzertleben einen Namen gemacht. Ihm gelang wieder die Interpretation des je Besonderen und Charakteristischen der Weihnachtslieder. Stimmlich präsent, homogen im Klang, begeisterte er die Besucher. Die schmale Besetzung der Männerstimmen, sechs Bässe, zwei Tenöre, verstärkt durch eine Tenorette, tat dem Gesamtklang des Chores keinerlei Abbruch.

Stimmungsgehalte sensibel zum Ausdruck gebracht

Der zeigte gleich mit dem ersten Chor a cappella – „Jul, jul, strålande jul“ –, wie sensibel er Stimmungsgehalte zum Ausdruck bringen kann. Wohltuend zurückgenommen und ohne Pathos das „Eta notsch swjataja“, ein ruhig-ausschwingender Chorsatz mit einem schwebenden Sopranpart. Rhythmische Präsenz bei „Corramos, corramos“ oder bei „Kiris Bara Bari“. Den romantischen, subjektbezogenen Zug „In the bleak midwinter“ arbeitete der Chor deutlich heraus. Swingend das afroamerikanische Spiritual „Rise up shepherd“ und getragen das „Búvaj, Diet’a krásne“ mit seiner eingängigen Weihnachtswiegenliedmelodie zu Beginn des sechsten, letzten Satzes des Konzerts.

Dieser sollte sich nicht zu einem bombastischen Schluss steigern, sondern „abebben“ (Wöhrle), dem Ausschwingen von Glocken vergleichbar, wie sie sehr plastisch im präzise artikulierten „Tan il dschong“ gestaltet wurden. In lichtem C-Dur schloss das nachhaltige Konzert mit „Festejo de Navidad“, dessen temperamentvoll gesungenes „Burum, burum, bum bum. Ha!“ noch mindestens bis zum Dreikönigstag nachhallen wird.

Reicher, verdienter Beifall für alle Ausführenden. Als sinnreiche Dreingabe das Lied von den eilenden Hirten „Corramos, corramos!“. Eine kleine Anmerkung noch: Um Inhalt und Gehalt der Carols tiefer zu verstehen, wäre die deutsche Übertragung der Texte im Programmblatt erhellend gewesen.

Helmuth Kern

NÜRTINGER ZEITUNG v. 10.12.2019